Er ist Umweltökonom und betrieb eine Firma in Offenburg, wo er lange lebte. Im Gespräch erläutert Dutschke die Konferenz und Möglichkeiten des Einzelnen, ein umweltverträgliches Leben zu führen.
Herr Dutschke, sind Sie gerade beim UN-Klimagipfel in Paris?
Leider kann ich nicht selbst dabei sein – aber ich beobachte das natürlich und kenne viele der Menschen, die dort verhandeln. Außerdem bin ich nach wie vor beratend in der Branche tätig.
Sie sind Klimaexperte und haben als Mitglied des Internationalen Klimabeirats IPCC den Nobelpreis erhalten. Macht der Klimagipfel Hoffnung auf Veränderung?
Jeder kennt die Situation aus dem eigenen Leben: Je länger ich mich gegen eine Veränderung wehre, desto härter trifft sie mich. Weil die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Klimaveränderung nicht mehr zu ignorieren sind, steht das Thema jetzt bei Politikern oben auf der Agenda. Das macht schon Hoffnung.
Wie schätzen Sie die Chance ein, dass das Ziel erreicht wird, den Ausstoß klimaschädlicher Gase so zu senken, dass die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius gesenkt werden kann?
Ich erwarte, dass sich die Staaten auf ein Abkommen einigen, in dem alle Länder mehr oder weniger freiwillige Klimaziele eingehen, nicht nur die heutigen Industriestaaten. Das Zwei-Grad-Ziel wurde ja vom Klimabeirat IPCC empfohlen. Die zugesagten Beiträge aller Länder und ihre Umsetzung werden Jahr für Jahr an diesem Ziel gemessen werden.
Sie appellieren unter anderem an junge Leute, sensibel mit den Ressourcen der Erde umzugehen. Was kann der Einzelne tun?
Der Klimawandel ist eine Herausforderung für uns alle und damit eine große Chance zur Veränderung. Wer jetzt kluge Lösungen für unseren täglichen Umgang mit den Folgen der Erderwärmung findet, kann sehr erfolgreich werden. Das betrifft die Nutzung der Ressourcen, Energie, Wasser und Boden, aber auch unsere alltägliche Anpassung an lange Hitzeperioden, wie wir sie in der Ortenau in diesem Sommer erlebt haben. Ich glaube, in 30 Jahren werden sich alle fragen, wozu wir damals Erdöl verbrannt haben, wo wir doch ständig von viel leichter verfügbaren Energien umgeben sind.
Für den größten Teil der Schadstoffe sorgt der Individualverkehr. Was wäre zu tun – speziell im abgelegenen ländlichen Raum – um die Menschen zu einem Umdenken zu bewegen?
Mobilität gehört zu unserem Gefühl der Selbstbestimmung – gerade im ländlichen Raum gibt es große Chancen für Elektromobilität, wenn die notwendige Infrastruktur dafür weiter ausgebaut wird.
Für viele Menschen ist das eigene Auto aus dem Leben nicht wegzudenken. Wäre es nicht eine Zumutung, wenn man von Menschen in ländlichen Regionen Verzicht verlangen würde?
Das war ein Missverständnis der frühen Umweltschutzbewegung. Es gibt Menschen, die im Verzicht leben wollen, aber als Gesellschaftsmodell taugt das nicht. Nicht alle Mobilität trägt aber wirklich zu unserem Wohlstand bei. Der ländliche Raum als Lebensraum wird immer wichtiger, weil sich im digitalen Zeitalter Produktion und Arbeit wieder dezentralisieren. Längerfristig wird das Berufspendeln seltener werden, das spart Fläche, Zeit und Emissionen, und es trägt zu unserem Lebensgefühl bei.
Warum kann man »unwillige« Staaten nicht dazu zwingen, Gesetze zu schaffen und sich an der weltweiten notwendigen Eindämmung des Schadstoffausstoßes zu beteiligen?
Da kann ich nur den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow zitieren: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Die USA haben gemerkt, dass sie in Umwelttechnologien im Wettbewerb hinterher hängen und dass die Hurricanes nicht nur Entwicklungsländer treffen. China hat sich mit der Kopie veralteter Industrialisierungskonzepte die eigene Umwelt fast ruiniert. Nicht umsonst haben die Chinesen heute den größten Windenergiepark der Welt. Kleinere Länder kann man eine Weile zum Wohlverhalten zwingen, aber die Großen müssen’s einfach selbst merken.
Viele sprechen davon, »vernünftige ökologische Rahmenbedingungen« schaffen zu wollen: Welche sind das?
Bis heute werden weltweit, und auch in Deutschland, mehr Subventionen in fossile Energien gesteckt als in erneuerbare. Unsere Agrarsubventionen fördern Energieverschwendung, Bodenerosion und die Armut in Entwicklungsländern. Das sind Rahmenbedingungen, die unbedingt auf den Prüfstand gehören.
Sollte auch dieser Gipfel, so wie der letzte vor sechs Jahren in Kopenhagen, scheitern: Welche Möglichkeiten, dem Klimawandel zu begegnen, gibt es noch?
Das hängt davon ab, was man sich von diesem Gipfel erwartet. Es wird sicher ein vorzeigbares Ergebnis geben, dazu ist der politische Druck zu hoch. Wir sind heute schon bei einem Grad Celsius durchschnittlicher Erwärmung, und selbst, wenn wir gar keine Treibhausgase mehr ausstoßen würden, ginge der Trend für etwa 50 Jahre weiter. Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sind eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Erfolgsstrategie – wer sich dagegen wehrt, verliert auf die Dauer.
"Steter Tropfen höhlt den Stein": Können Sie kleine Änderungen nennen, die jeder vornehmen kann und die in ihrer Gesamtheit helfen würden, Umwelt und Natur zu schonen?
Mehr als früher haben wir als Verbraucher heute die Möglichkeit, energiesparende Geräte auszuwählen und uns über den ökologischen Fußabdruck von Waren zu erkundigen. Wenn wir uns daran orientieren, fühlen wir uns besser und sparen meistens langfristig. Oft sind es nur Denkgewohnheiten, die uns im Wege stehen, etwa dass Autofahren auf Langstrecken komfortabel und schnell ist. Jedesmal, wenn ich auf der Autobahn im Stau stehe, muss ich daran denken, wie schön es wäre, jetzt etwas zu lesen, Kaffee zu trinken oder mich entspannt zu unterhalten, während ich im Zug mit Tempo 300 an mein Ziel komme. Die Fragen stellte Nicola Schwannauer.
Der Umweltökonom Michael Dutschke lebte lange in Offenburg und stellt sein Know-How weltweit Regierungen zur Verfügung. Dutschke erhielt im Jahr 2007 als Mitglied des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) in Stockholm den Friedensnobelpreis. Er ist außerdem Leiter des Unternehmens "Biocarbon".
Klimagipfel in Paris: Experte spricht über die Möglichkeiten des Einzelnen, umweltverträglich zu leben."
Zur Person:
Michael Dutschke berät seit fast 20 Jahren Unternehmen, NGOs und Regierungen zu den Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit, mit den Schwerpunkten Kompensation von Emissionen, nachhaltiger Landnutzung, Land- und Forstwirtschaft. Als Mitglied des Internationalen Klimabeirats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) wurde seine Arbeit 2007 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. In seiner beruflichen Laufbahn beriet er immer wieder die Bundesregierung, zum Beispiel 1998 das Wirtschaftsministerium hinsichtlich des Emissionshandels. 2007 gründete er das Beratungsunternehmen <biocarbon>. Dieses Expertennetzwerk berät private Unternehmen und Regierungen, erstellt für sie Strategien oder hilft bei der Umsetzung von Klimaschutzprojekten. Michael Dutschke hat es sich dabei zum Ziel gesetzt, vorhandene Ressourcen so einzusetzen, dass sie den Klimaschutz fördern und zugleich die lokalen Lebensverhältnisse und Strukturen verbessern.
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